Eines meiner Lieblingsweinlokale ist schon seit mittlerweile Jahrzehnten die Weinstube des Wein- und Sektgutes F.B. Schönleber in Mittelheim. Die Kartoffelpuffer der Chefin waren sensationell, was insbesondere für meine Tochter wichtig war, die damals gerne Kartoffelpuffer mit Lachs aß. Meine Lieblingsbeilage waren die kross gebratenen Bratkartoffeln, die es zu dem legendären „Dragonerspieß“ gab.
Die Mosel gilt als älteste Weinbauregion Deutschlands. Bekannt ist sie insbesondere für ihre eher feinfruchtig ausgebauten Rieslinge. Etwas mehr als 60% der Rebfläche, nämlich 5.330 Hektar, sind mit Riesling-Reben bestockt.
Zu Gast beim 125. wineBANKers Table war das VDP.Weingut Josef Milz aus Trittenheim an der Mosel. Das VDP.Weingut Josef Milz kann auf eine über 500-jährige Geschichte zurückblicken.
Meinen Wein des Monats April 2025 habe ich im Rahmen der Rheingauer Schlemmerwochen kennengelernt. Die Rheingauer Schlemmerwochen finden regelmäßig Ende April von Freitag bis übernächsten Sonntag statt, in diesem Jahr vom 25. April bis zum 4. Mai 2025.
Während dieser zehn Tage öffnen über 100 Winzer, Straußwirtschaften und Restaurants im gesamten Rheingau ihre Türen. Besucher können den neuen Weinjahrgang verkosten, regionale Spezialitäten genießen und an vielfältigen Veranstaltungen teilnehmen – von Weinwanderungen über Live-Musik bis hin zu kulinarischen Events (Programm).
Was nun geschah
Im Rahmen der Rheingauer Schlemmerwochen lud das Weingut Künstler zu einer Frühjahrsverkostung. Auf der Suche nach qualitativ hochwertigen Weinen zum Weingut Künstler zu gehen, ist immer eine gute Idee. Und diese Idee wird noch interessanter, weil Gunter Künstler regelmäßig auch anderen Winzern im Rahmen der Frühjahrsverkostung eine Gelegenheit zur Präsentation ihrer Weine gibt.
Frühjahrsverkostung 2025 beim Weingut Künstler
Und nachdem ich in meinen früheren Blog-Beiträgen so viel von PIWI-Weinen erzählt habe (hier, hier und hier), fand ich es nun extrem spannend, im Rahmen der Frühjahrsverkostung auf ein Weingut zu stoßen, das einen Wein aus sehr alten Weinlagen mit teilweise wurzelechten Reben im Angebot hatte. Also in gewisser Weise auf der anderen Seite des Widerstand-Spektrums. Würde mein Wein des Monats April 2025 gegebenenfalls einer aus Trauben von wurzelechten Reben sein?
Kleiner Exkurs zu Reblaus und wurzelechten Reben
Fast 100% des heutigen Rebbestandes in Deutschland fußt auf reblausresistenten Unterlagen, d.h. die Wurzel des Stocks stammt in der Regel von einer reblausresistenten amerikanischen Wildart. In diesem Fall ist die Rebe also nicht wurzelecht.
Kurz zur Erläuterung: Die Reblaus wurde im 19. Jahrhundert in Europa eingeschleppt und hatte verheerende Folgen für die Weinwirtschaft. Insbesondere schädigt diese das Wurzelwerk der Reben, das sie quasi aussaugt. Lange war keine Gegenmaßnahme wirklich erfolgreich im Kampf gegen die Reblaus. Letztlich half man sich damit, dass man europäische Edelreben auf Wurzeln amerikanischer Wildreben pfropfte. Diese hatten im Laufe der Evolution gelernt, mit der Reblaus klarzukommen.
Ganz selten gibt es noch ungepfropfte, wurzelechte Reben.
Die Frage, die sich sofort stellt: Wie können diese wurzelechten Reben überleben, wenn doch die Reblaus solch ein Riesenproblem ist?
Die Reblaus hat gewisse Vorlieben, was ihr Habitat betrifft. Die Reblaus nistet sich insbesondere im Wurzelwerk ein. Nun gibt es aber Böden, die der Reblaus so garnicht behagen. Sandigen Untergrund mag sie nicht. Schiefer auch nicht. Lehmböden mag sie.
Insofern kann es gelingen, auf besonders sandigen Böden oder auf Schiefer wurzelechte Reben zu ziehen, die hinreichend gesund sind, um genügend Ertrag zu liefern. Und oft sind dies Reben aus ganz alten Weinbergen, die sich ersichtlich gegen die Reblaus durchgesetzt haben.
Schmeckt der Wein aus wurzelechten Reben besser?
Es gibt immer wieder Diskussionen darüber, ob wurzelechte Reben einen besseren Wein ergeben als die gepfropften Reben. Kann das sein oder ist das Wunschdenken?
Als interessierter Laie habe ich dazu eine klare Meinung: Kann sein, ja!
Denn:
Zum Einen handelt es sich bei wurzelechten Reben oft um sehr alte Reben. Diese ergeben ja per se bereits einen geringen aber tendenziell gehaltvolleren Ertrag im Vergleich zu jüngeren Reben.
Das ist natürlich ein falsches Argument, denn auch sehr alte gepfropfte Reben ergeben tendenziell gehaltvollere Weine.
Nun gut, wie sähe es aus, wenn die Reben gleich alt wären? Dann wären die wurzelechten Reben meines Erachtens im Vorteil. Denn sie haben nicht diese „Narbe“, die Pfropfstelle, und werden insofern besser mit Wasser und Nährstoffen versorgt. Dies wird insbesondere dann wichtig, wenn wetterbedingt die Wasserversorgung sowieso knapper wird.
Dieses Argument klingt deutlich besser, ist aber auch nicht ganz vollständig. Denn ob diese wurzelechten Reben gesund sind, hängt wiederum stark davon ab, in welchem Umfeld (Boden, Mikroklima etc.) sie wachsen.
Mein persönliches Fazit:
Bei idealen Böden (z.B. Sand) sowie sonstigen Bedingungen (z.B. Wetter), die die Pflanze nicht zu sehr unter Stress setzen, sind wurzelechte Reben vermutlich im Vorteil gegenüber gepfropften Reben.
Bei weniger idealen Bedingungen könnte das aber ins Gegenteil kippen
Mit diesen Vorüberlegungen besuchte ich also nun die Frühjahrsverkostung. Wie ging es aus? Würde ich mich jetzt tatsächlich für diesen Wein aus (teilweise) wurzelechten Reben entscheiden?
Mein Wein des Monats April 2025
Mein Wein des Monats April 2025 ist der 2022-er Riesling Alte Reben vom Weingut Markus Molitor aus Zeltingen-Rachtig an der Mosel. Die Trauben für meinen Wein des Monats April 2025 stammen aus 60 bis 80 Jahre alten Weinbergen, mit vereinzelten wurzelechten Reben. Der Wein wurde spontan vergoren, also ohne Verwendung von sogenannten Reinzuchthefen.
Ein Wein, der mich erst auf den zweiten Blick überzeugte. Aber dann vollständig.
Das muss ich etwas erklären.
Spontan vergorener Wein kann einige Überraschungen enthalten. Denn der Wein gärt mit allem, was der Weinberg so hergibt, vor sich hin. Das kann ganz besondere Noten ergeben. Und der Terroir-Gedanke geht ja auch genau in diese Richtung. Im Einzelfalle ist es aber so, dass manche der natürlicherweise vorhandenen Hefen einen etwas seltsamen Geruch verursachen, der aber idealerweise dann mit der Zeit verfliegt.
Mittlerweile bin ich so hart gesotten, dass ich mich dann nicht mehr angewidert abwende, sondern mit Kennermiene sage: „Ah, ist wohl spontan vergoren“, den Wein etwas schwenke, bis der Geruch verflogen ist und dann all die feinen anderen Sachen zum Vorschein kommen, die ich so mag.
Es soll Weinkenner geben, die den schwefeligen Geruch mancher spontan vergorener Weine schätzen. Vielleicht schätzen aber auch sie nur die Vorfreude auf das, was danach kommt.
Das Genussprotokoll
Nun zum Genussprotokoll des Wein des Monats April 2025, dem 2022-er Riesling Alte Reben vom Weingut Markus Molitor.
Die Farbe: Der Wein ist von gelb-grüner klarer Farbe mit goldenen Reflexen.
Der Duft: Im Duft findet man kräutrige Noten, etwas Fudge, feinen Pfirsich und Zitrusfrüchte.
Der Geschmack: Der Wein hat eine angenehme Mineralität und eine gute Säurestruktur. Darin eingebettet gesellen sich zu Pfirsich und Zitrusfrüchten grüner Apfel und Kiwi. Und für den einen oder anderen findet sich zum Abschluss ein Hauch frischer Minze.
Fazit: Der 2022-er Riesling Alte Reben vom Weingut Markus Molitor, ist ein Wein mit Tiefgang und Frische. Ein Wein, der mich wirklich für sich eingenommen hat. Kein Wein für jeden Abend, aber für schöne Abende.
Mein Wein des Monats März 2025 ist ein PIWI-Wein. PIWI-Weine sind Weine, die auf besondere Pilzwiderstandsfähigkeit gezüchtet wurden, um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren.
Meine erste intensivere Begegnung mit PIWI-Weinen hatte ich vor etwa einem Jahr bei einem wineBANKers Table im Weingut Balthasar Ress. Besonders gefallen hatte mir der dort präsentierte Sauvignac, eine Kreuzung aus Riesling, Sauvignon blanc und einer weiteren, nicht näher spezifizierten pilzwiderstandsfähigen Rebsorte. Ein Weißwein mit schönen Aromen von Apfel und Aprikose. Diese erste Begegnung hatte mich auf die PIWI-Weine neugierig gemacht.
Vorletzten Sonntag nun war ich auf einer Radtour ins Rheinhessische. Genauer gesagt schlug ich letztlich in Nierstein auf. Vor mehreren Jahren hatten wir dort einen Winzer kennengelernt, der nach ökologischen Grundsätzen arbeitete und der außerdem PIWI-Weine im Sortiment führt.
Obwohl es Sonntag war und die Vinothek eigentlich geschlossen hatte, durfte ich eine kleine Probe seines Sortimentes verkosten und bin dann mit zwei Weinen wieder Richtung Heimat gestrebt.
Mein Wein des Monats März 2025 ist der 2022-er Cabernet Blanc vom Weingut Wedekind in Nierstein. Der Cabernet Blanc ist eine Kreuzung aus Cabernet Sauvignon und Regent, also zwei roten Sorten. Gleichwohl ist der Cabernet Blanc eine weiße Sorte. Wer sich mit den Mendelschen Regeln auskennt, kann sich jetzt überlegen, wie das zustande kommen konnte.
Nun zum Genussprotokoll:
Die Farbe: Der Wein hat eine klare strohgelbe Farbe mit deutlichen grünen Facetten.
Der Duft: Im Glas zeigt sich der Duft von Stachelbeeren, gelber Paprika sowie kräutrige Noten. Ein feiner Schleier von Litschi rundet das Bouquet ab.
Der Geschmack: Der Wein hat eine frische Säure, die aber nie dominant ist. Im Geschmack finden wir Zitrusfrüchte, darunter reife Orange sowie Erdbeere, die zusammen mit den kräutrigen Noten und der fröhlichen Säure ein ausgewogenes Gesamtkonstrukt ergeben. Wenn der Wein geschluckt und die aufregenden Sachen verklungen sind, verbleibt im Munde eine unaufdringliche Süße von Mirabellen.
Fazit: Wer Sauvignon Blanc oder Riesling mag, wird vermutlich auch am Cabernet Blanc Gefallen finden. Und um auf meinen Wein des Monats März 2025 zurückzukommen: Der 2022-er Cabernet Blanc vom Weingut Wedekind in Nierstein ist ein besonders gelungenes Beispiel für einen Cabernet Blanc.
PIWI-Weine haben nichts mit Mathematik zu tun, auch nichts mit neuseeländischen Laufvögeln. PIWI-Weine sind eine zukunftsweisende Antwort auf die Herausforderungen des Klimawandels und leisten einen wertvollen Beitrag zum Umweltschutz.
Was sind PIWI-Weine?
Ob man es mag oder nicht, ohne einen Mindesteinsatz von Pflanzenschutzmaßnahmen ist Weinbau auf hohem Qualitätsniveau nicht möglich. Die Gefahr von Mehltau (echter bzw. unechter Mehltau), Schwarzfäule etc. lauert immer. Selbst im biologischen Anbau, wo chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel tabu sind, kommen Schwefel- und Kupferpräparate zum Einsatz – mit Folgen für Boden und Umwelt.
PIWI-Weine sind Weine, die gegen eine oder mehrere Pilzkrankheiten resistent sind. Dabei ist „resistent“ nicht absolut zu verstehen – doch moderne Züchtungen bieten immer bessere Ergebnisse. Dank gezielter Selektion und genetischer Forschung konnten neue Sorten so entwickelt werden, dass sie den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln um bis zu 90 % reduzieren.
Wie werden diese neuen Sorten entwickelt
Das ist die Sache mit den Bienchen und den Blümchen:
Pollen einer resistenten Rebe werden auf die Blüte einer anderen Rebsorte gegeben. Die daraus entstehenden Samen haben genetisches Material beider Reben. Aus diesen Samen werden dann Reben gezogen, die mehrere Tests durchlaufen, z.B. zur Resistenz, aber auch zum Wuchsverhalten sowie zu Geschmack und Aroma der Trauben. Es folgen größere Feldversuche, und wenn diese erfolgreich verlaufen, werden die neuen Sorten zur Zulassung angemeldet. Die Zulassung erfolgt in Deutschland durch das Bundessortenamt.
Was haben PIWI-Weine mit Klima- oder Umweltschutz zu tun?
Mit Klimaschutz zunächst nichts. Wohl aber als Antwort auf die Klimaveränderungen.
Klima
Die Veränderung des Klimas schafft tendenziell bessere Bedingungen für Pilzbefall. Seien dies jetzt die etwas wärmeren Temperaturen oder die zunehmende Luftfeuchtigkeit. Beides erhöht das Risiko des Pilzbefalles.
Auf die eine oder andere Art muss hier der Winzer also gegenhalten. Die eine Art wäre, dass mehr Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden, die andere Art wäre, dass man Rebsorten verwendet, die weniger anfällig sind.
Umweltschutz
Neben dem konventionellen Weinbau gibt es auch verschiedene Ausrichtungen biologischen Weinbaus. Hier wird auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel verzichtet.
Stattdessen wird beispielsweise mit Kupfer- und Schwefelpräparaten gearbeitet. Zusätzlich werden Pflanzenstärkungsmittel ausgebracht, um die Reben widerstandsfähiger zu machen. Eine gute Laubarbeit zur besseren Durchlüftung ergänzt die Maßnahmen.
Aber auch diese Maßnahmen führen zu einer höheren Bodenbelastung (z.B. mit Kupfer). Außerdem ist dies arbeitsintensiver und führt aufgrund häufigerer Durchfahrten mit schweren Maschinen zu einer höheren Bodenverdichtung sowie zu höherer CO2-Belastung.
Insgesamt ergibt es also Sinn, wenn statt zusätzlicher Maßnahmen zur Bekämpfung des Pilzbefalles die Reben bereits aus sich heraus resistenter sind.
Schmecken PIWI-Weine?
Es gab frühere Züchtungen, die geschmacklich nicht überzeugen konnten. Aber heute verfügbare Sorten stehen den klassischen Sorten in nichts nach. Ein gutes Beispiel ist der Cabernet Jura, der in seiner Aromatik deutliche Parallelen zum Cabernet Sauvignon aufweist.
PIWI-Weine unterscheidet von anderen Weinen nichts – außer dass sie besondere Eigenschaften in Bezug auf Widerstandsfähigkeit gegen Pilzbefall haben. Da sie weniger Chemie benötigen, um gesund zu reifen, sind sie im Zweifel vielleicht sogar den Nicht-PIWIs vorzuziehen.
Wie gut sie schmecken, erlebte ich erstmals im Rahmen eines wineBANKers Table im Weingut Balthasar Ress. Sehr gefallen, neben anderen, hatte mir der dort präsentierte Sauvignac, eine Kreuzung aus Riesling, Sauvignon blanc und einer weiteren, nicht näher spezifizierten pilzwiderstandsfähigen Rebsorte. Ein Weißwein mit schönen Aromen von Apfel und Aprikose.
Welche PIWI-Sorten gibt es denn?
Die Namen mancher PIWI-Weine sind an die Namen der Elternreben angelehnt, andere sind völlig neu. Hier die zehn meistangebauten weißen und roten PIWI-Sorten in Deutschland (Quelle: Die Top 10 unter den PIWIs – Flächenentwicklung im Detail – PIWI International, Der Badische Winzer, Ausgabe Dezember 2023/ Januar 2024)
Wo stehen wir?
PIWI-Weine sind eine intelligente Antwort auf den Klimawandel und bieten zahlreiche Vorteile: Sie sind umweltfreundlicher, reduzieren den Arbeitsaufwand und senken die Kosten im Weinbau. Gleichzeitig bereichern sie die geschmackliche Vielfalt der Weinszene.
Obwohl es PIWIs schon sehr lange gibt, sind sie noch nicht weit verbreitet. Im Jahre 2020 lag der Anteil der PIWI-Anbaufläche im Rheingau nach Angaben des Weinbauamtes Eltville bei unter 0,5%. Die Bergstraße ist da mit einem Anteil von 3,54% schon deutlich weiter.
Mein Fazit: Die PIWI-Weine haben einen langen Weg hinter sich, aber auch noch einen langen Weg vor sich.