Ich habe vor einigen Wochen von unserer Radtour in Schottland berichtet. Doch die Radtour war nur die halbe Wahrheit. Der Urlaub in Schottland ging noch weiter. Nach der letzten Radetappe mieteten wir uns in Edinburgh einen Wagen und hängten noch eine Woche „Scotland by Car“ an.
Scotland by Car
Die schottischen Dorf- und Landstraßen kannten wir ja schon von unserer Radtour. Entsprechend vorsichtig bin ich gefahren. An den Linksverkehr in Schottland gewöhnt man sich recht schnell. Auch die Schaltung mit der linken Hand läuft bald halbwegs rund. Manchmal hakelt die Gangschaltung ein bisschen. Das liegt dann aber nicht am Auto. Was mich etwas irritierte, war, dass auch der Blinkerhebel links war. Ich hätte ihn auf der anderen Seite vermutet. Aber, okay, auch dies: reine Gewöhnungssache.
Wer in Schottland Autos vermietet, weiß, was er tut. Mit dem eigenen Auto würde ich da nicht fahren wollen. Man kann nicht jedem Schlagloch ausweichen.
Der Angestellte der Mietwagenfirma in Edinburgh empfahl uns dringend, eine Versicherung gegen passive Schäden an Reifen und Glas abzuschließen. Das wären die häufigsten Schäden. Als ich das hörte, erkannte ich, dass mein Vorurteil von den holprigen Straßen in Schottland nun doch bereits zu einem Urteil gereift war.
Wir hatten uns für die kleinste Autokategorie entschieden, da wir wussten, wie eng die Straßen sind. An der Waverley-Station in Edinburgh wartete ein nagelneuer Fiat 500 mit Sonnendach auf uns. Genau richtig. Klein sollte das Auto sein. Und das war er. Und Pep hatte er. Was will man mehr?

Für zwei Koffer, zwei kleine Rucksäcke und uns reichte das völlig. Perfekt für unsere kleine Rundreise durch Schottland.
In Schottland gibt es Straßen, die in zwei Richtungen gehen, auf denen aber keine zwei Autos nebeneinander passen. Insofern wird es nicht nur eng beim Überholen von Radfahrern, sondern immer auch dann, wenn sich Autos begegnen. Deshalb gibt es auf solchen Sträßlein in Schottland in relativ kurzen Abständen sogenannte Passing Places, an denen man ausweichen und warten kann, um den entgegenkommenden Autofahrer vorbeizulassen.
Grundsätzlich hatte ich kein Problem damit, mich an die Geschwindigkeitsbegrenzungen, die in Schottland gelten, zu halten. Ich hatte wirklich äußerst selten das Bedürfnis, auf einer der schottischen Landstraßen schneller als 60 Meilen zu fahren.
Ich muss aber auch sagen, dass die Autobahnen in Schottland dann doch eine deutlich bessere Qualität haben als die Dorf- oder Landstraßen. Und da habe ich dann auch mal die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 70 Meilen, also rund 112 km/h, ausgereizt.
Destillerien in Schottland
Urlaub in Schottland wäre natürlich unvollständig, wenn wir nicht auch die eine oder andere Destillerie besucht hätten, um da an einer Führung mit Verkostung teilzunehmen. Möglichkeiten gibt es genug.
Und meine Erfahrung ist, dass man sich mehr als eine Destillerie ansehen sollte. „Kennst Du eine, kennst Du alle“ klingt zwar schlüssig, stimmt aber nicht. Stimmt übrigens auch in anderen Zusammenhängen nicht.
Es lohnt sich, mindestens zwei solcher Führungen mitzumachen. Der Prozess der Whisky-Herstellung ist zwar überall ähnlich, aber jede Brennerei setzt andere Schwerpunkte. Und nicht zuletzt lebt die Führung vom Typ Mensch, der sie macht.
Die Destillerie in Aberfeldy hatten wir uns bereits auf unserer Radtour angesehen, die Destillerie in Oban und eine Destillerie auf der Isle of Skye besuchten wir dann per Auto.
Aberfeldy
Wir waren so gegen 14:30 Uhr in Aberfeldy, checkten kurz im Moness Resort ein und zogen direkt weiter in den Ort, um die Destillerie zu finden. Google Maps führte uns zunächst zum Golfplatz. Dort hatten wir keinen Empfang. Also fuhren wir wieder in den Ortskern und fragten dort in der Tourist-Info nach dem Weg. Die Destillerie liegt etwas außerhalb, aber doch nahe am Ort.



Dort angekommen, erkundigten wir uns nach der nächsten Führung. Diese fand in etwa einer Stunde statt. Also Zeit genug, selber nochmal das Gelände zu erkunden, Photos zu machen und an der Bar einen Dreier-Flight Whisky aus dem Weinfass zu verkosten.
Unser Guide veranstaltete eine sehr launige und unterhaltsame Führung und unser Wissen zur Herstellung von Whisky wurde besser, war aber noch ausbaufähig.
Oban
Oban ist ein recht kleiner Ort, der sehr nett am Meer liegt. Am ersten Nachmittag haben wir ein bisschen den Ort erkundet. Insbesondere wollten wir wissen, wie weit es zur Destillerie ist. Nicht weit. So weit, so gut.
Am nächsten Morgen besuchten wir also die Oban Distillery. Die Führung dort machte uns wieder etwas schlauer. Nicht nur, weil wir die neue Info bereits mit bestehendem Wissen verknüpfen konnten. Es war auch die Art der Darbietung. Während der Guide in Aberfeldy eher auf Show und Unterhaltung setzte, war die Führung in Oban weniger spektakulär, aber aus meiner Sicht informativer.



Gut gefallen hat mir, dass es bei diesen Führungen auch eine Lösung für Autofahrer gab. Man kann sich den Whisky, der bei den Führungen zur Verkostung gereicht wird, auch in kleinen Fläschchen mitgeben lassen.
In Aberfeldy waren wir diesbezüglich nicht so strikt, da wir mit dem Fahrrad unterwegs waren. Bei den beiden folgenden Destillerie-Führungen haben wir uns strikt dran gehalten. Man sollte sich im Urlaub in Schottland tunlichst nicht betrunken und Auto-fahrend erwischen lassen. Dort gibt es empfindliche Strafen für diese Fälle. Nicht nur Geldstrafen, sondern auch Freiheitsstrafen.
Was haben wir uns in Oban außerdem angesehen?
Etwas anstrengend, weil bergauf, aber lohnend, war der Weg zu McCaig´s Tower. Ein unvollendetes kolosseum-ähnliches Bauwerk, das der Philantrop und Bankier John Stuart McCaig hatte errichten lassen.



Von dort oben hat man einen wunderbaren Blick über Oban.


Dann hätte ich noch einen kleinen Tipp bzgl. Abendessen. Das Hidden Steakhouse. Es liegt direkt neben der Oban-Distillery und ist insofern versteckt (hidden), als es sich nach hinten an das Restaurant „Cuan Mor“ anschließt. Man geht also durch das Cuan Mor durch, durch ein weiteres Entrée und kommt dann in das Hidden Steakhouse. Sehr angenehme Bedienung, es war nicht zu voll (im Gegensatz zum Cuan Mor) und das Essen war prima.
Torabhaig Distillery auf der Isle of Skye
Die Isle of Skye ist landschaftlich sehr reizvoll mit hohen begrünten Bergen, weiten Flächen und -verzeiht´s mir- manche Stelle erinnerte mich an Sylt.




Neben der bekannten Talisker Distillery gibt es hier auch die noch junge Torabhaig Distillery. Die Destillerie liegt landschaftlich wunderschön, anders als die in Oban, die mitten im Ort liegt. Sie wurde in 2017 fertiggestellt. Das erklärt, warum es dort aktuell keinen 10-, 12- oder 15-jährigen Whisky gibt.


Auch hier haben wir wieder eine kleine Führung mitgemacht, wobei dies wirklich eine sehr kleine Führung war, wir waren nur 4 Gäste, alles Deutsche, und haben hier unsere Englisch-Kenntnisse sowie unser Wissen zur Whisky-Herstellung aufpoliert.
Und auch hier konnte man sich die Whisky-Proben mitnehmen statt sie vor Ort zu verkosten. So hatten wir schon was Nettes vor für den Abend im Guesthouse.
Torabhaig gehört mittlerweile zu Mossburn Distillers. Talisker gehört zum Getränkekonzern Diageo, genauso wie die Destillerie in Oban.
Tagestrip nach Edinburgh und Glasgow
Edinburgh
Nach dem Ende unserer Radtour in Pitlochry fuhren wir mit der Bahn nach Edinburgh, um unseren Mietwagen zu übernehmen Mit dem wollten wir dann durch Schottland touren und ihn dann in Glasgow abgeben.
Uns war bewusst, dass wir nur diesen Tag (Samstag) und Sonntag morgen hatten, um Edinburgh ein bisschen kennenzulernen. Am besten, dachten wir, wäre es, einen der Sightseeing-Busse zu nehmen und dort eine Runde zu drehen.
Gesagt getan! Übrigens wurden wir offensichtlich als Senioren erkannt, denn wir bekamen ungefragt den vergünstigten Seniorentarif. Naja, was soll´s, ist doch prima. Nach einer Runde mit dem Bus stellten wir fest, dass wir mindestens eine Woche hier bleiben müssten, um auch nur die interessantesten Orte in Edinburgh hinreichend würdigen zu können.

Gleichwohl, wir hatten nur heute und morgen Vormittag. Um unsere Edinburgh-Kenntnisse zu schärfen, fuhren wir am Sonntag Vormittag nochmal eine dreiviertel Runde mit dem Sightseeing-Bus.
Als wir an einer der Haltestellen ausstiegen und uns auf dem Bürgersteig orientierten, fragte uns der Busfahrer durch die offene Tür, wo wir denn hin wollten. Als wir Calton Hill nannten, empfahl er uns, wieder einzusteigen und eine Haltestelle weiterzufahren. Besten Dank, sind alle so nett hier.




Beim Ausstieg an der nächsten Haltestelle gab er uns noch mit, wie wir von Calton Hill am schnellsten wieder zu einer Bushaltstelle kamen. Besten Dank nochmals.
Wie gesagt, die Menschen in Schottland sind generell sehr nett. Wenn man sich an einer engen Stelle entgegenkommt, z.B. einem Türdurchgang oder einer Treppe, treten sie zur Seite, sagen „Sorry“ und lassen einen vorbei. Recht ungewohnt für deutsche Verhältnisse.
Glasgow
Ich möchte gedanklich nochmal zurückspringen. Wir hatten den Flieger von Frankfurt nach Glasgow genommen. Wir wollten dort übernachten und am nächsten Tag mit der Bahn in Richtung Stirling zu unserer geplanten Radtour weiterfahren. Wir hielten es deshalb für schlau, ein Hotel in der Nähe der Central Station zu buchen.
Mir wurde vorab schon gesagt, dass Edinburgh schöner sei als Glasgow. Als wir nun aber dort, im Bahnhofsviertel auf der Argyle Street, spazieren gingen, weil wir etwas von Glasgow sehen wollten, waren wir leicht entsetzt.
Verwahrloste Häuser, aus denen schon Bäume wachsen, Bettler auf der Straße, teilweise mit offensichtlichen gesundheitlichen Problemen, Müll in Seitenstraßen, lärmende Menschen. Menschen, denen man ansieht, dass sie nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen.


Wir gingen die Argyle Street weiter in Richtung Merchant City, und da wird es dann freundlicher.


Weiter zum Glasgow Green, einem großen Stadtpark, in dem der beeindruckende People´s Palace mit dem riesigen Wintergarten-Anbau steht. Leider sind der People´s Palace und der riesige Wintergarten seit 2024 geschlossen, weil Restaurationsarbeiten vorgenommen werden sollen. Angeblich sollen diese bis 2027 abgeschlossen sein. Als wir dort herum spazierten, konnten wir aber keine aktuell laufenden Restaurationsarbeiten erkennen.



Zurück ging es an der Promenade des River Clyde. Hier war das junge, quirlige Leben zu sehen, für das Glasgow mittlerweile eher bekannt ist. Szene-Treffs, Graffity, junge Menschen. Glasgow, eine Stadt mit vielen Gesichtern.
Wenn ich tatsächlich die interessanten Seiten einer Stadt sehen will und es in dieser Stadt die Möglichkeit gibt, eine Sight-Seeing-Tour auf einem der Hop-On/Hop-Off-Busse zu machen, dann mache ich das. Das galt in Edinburgh und gilt in besonderer Weise für Glasgow.


So haben wir es auch am Vortag unserer Rückreise von Glasgow gehalten.
In diesen Touren steckt das Know-how von Menschen, die den Wunsch haben, die interessanten Seiten der Stadt zu zeigen. Warum sollte ich das nicht nutzen. Idealerweise informiere ich mich natürlich auch selber noch vor einer Reise.



Im Vergleich „Edinburgh und Glasgow“ ist Edinburgh tatsächlich die schönere Stadt. Zwar wurde unser erster Eindruck von Glasgow, den wir zwei Wochen zuvor im Bahnhofsviertel bekamen, durch die Sight-Seeing-Tour deutlich verbessert, aber, sorry: Edinburgh ist schöner.
An dieser Stelle nochmal die Empfehlung: Unbedingt Hop On-Hop Off-Busse nutzen, um der jeweils fremden Stadt etwas näher zu kommen.
Abschließend
Es war gut, Urlaub in Schottland auf zwei so unterschiedliche Arten erlebt zu haben – zunächst langsam und unmittelbar mit dem Fahrrad, später flexibel und weiterreichend mit dem Auto. Diese doppelte Perspektive hat uns einen besonderen Blick auf dieses faszinierende Land ermöglicht.
Schottland ist ein Land der Kontraste: rau und zart, herb und herzlich zugleich. Es sind die weiten, unberührten Landschaften, die imposanten Berge und stillen Lochs, die jahrhundertealten Burgen und ihre Gärten, die den äußeren Rahmen bilden.
Und dann sind dort die pittoresken Ortschaften mit ihrem bunten Leben, aber auch die großen Städte mit ihrer eigenen aus wechselnden Dynamiken gewachsenen Struktur.
Und immer wieder Begegnungen mit Menschen, die höflich und hilfsbereit sind, gerne auch mit einem feinen Sinn für Humor und einer bemerkenswerten Gelassenheit im Alltag.
Es war eine Reise zwischen Natur und Kultur, zwischen Geschichte und Gegenwart. Eine Reise, die uns – gerade durch den Wechsel der Perspektiven und der zwei Geschwindigkeiten – dazu angeregt hat, genauer hinzusehen und bewusster wahrzunehmen.
Ein Urlaub der Vielfalt und Tiefe, der uns noch lange im Gedächtnis bleiben wird.